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Marathon in Münster

Ein Bericht von Henning Deters

mit einer Ergänzung von Jens Mäthner 

Ich nehme selten den Aufzug ins Büro, aber die Beine sendeten heute Morgen eindeutige Signale: Links unten der Soleus und der Gastrocnemius, rechts oben der Quadriceps Femoris und hinten der linke Gluteus Maximus stellten sich mit ihren vornehm klingenden Namen vor, nur um dann mit dreister Eindringlichkeit eine Woche Urlaub zu verlangen. Und das kam so:

Nach stundenlangen, nervösen Telefonaten war es gelungen, zwei Tage vor dem Münster Marathon noch ein halbwegs erschwingliches Hotelzimmer zu reservieren. Voran gegangen waren 12 Wochen generalstabsmäßige Vorbereitung. Doch das nützt nichts, wenn das Ziel zu ehrgeizig gewählt ist, und das traf auf die geplante Zeit von 2:59 leider zu. Eine Erkältung gut zwei Wochen vor dem Marathon holte mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Ich war zu schnell angegangen und hatte das Immunsystem platt gelaufen. Zwei wichtige Trainingseinheiten (u.a. ein 35km-Lauf!) waren damit verloren und nicht mehr nachzuholen. Jetzt hoffte ich, zumindest meinen hauptsächlichen Wunsch noch erfüllen zu können, mich für den Marathon in Boston zu qualifizieren. 3:10:59 würde dazu am Ende mindestens auf der Uhr stehen müssen.

Samstag. Vereinskollege Jens treffe ich gleich bei der Startnummernausgabe im Gymnasium Paulinum. Danach entscheidet er sich für das Nord-Derby, das Werder mit Bravour gewann. Ein gutes Vorzeichen? Als für Fußball völlig unmusikalischer Mensch will ich lieber noch meine geplante Auflockerungsrunde am Aa-See absolvieren. Jens geht nach dem Spiel klugerweise früh ins Bett, ich hingegen nach dem Läufchen noch auf einen ausgedehnten Abendspaziergang; für die Füße wohl zu lang, für den Kopf aber eine Wohltat. Bei Vollmond flaniere ich durch die 60er Jahre: Wirtschaftswunderland Münster – prosperierend, freundlich, ruhig, sauber.

Eine unruhige Nacht später treffe ich Jens im Paulinum wieder, wo wir uns verabredet hatten. An seinem roten ATS-Jäckchen ist er leicht zu erkennen. Sämtliche Vorbereitungen laufen dank der hervorragenden Organisation gänzlich stressfrei ab. Am Start trennen sich unsere Wege schon wieder. Daumen drücken! Nach der im Programm vorgesehenen Schweigeminute anlässlich des Jahrestages der Anschläge vom 11. September 2001 und einem Grußwort von Tegla Loroupe sortiert man sich in die Startblöcke ein. Zwischen den 3:00- und 3:15- Zugläufern treffe ich den Neuseeländer Paul, den ich von der Online-Plattform Dailymile.com her kenne und hier zum ersten Mal in Natura sehe.

Ein ungewöhnliches Gefühl, bei einem Marathon direkt hinter dem Block der Spitzenläuferinnen- und Läufer zu starten! Hoffentlich würde ich meiner guten Startposition auch gerecht werden und unterwegs nicht schlapp machen…

Start! Der Blick geht sofort auf die Uhr, um sich nicht allzu sehr mitreißen zu lassen. Der Publikumszuspruch ist enorm und reißt die ganze Strecke über nicht ab. Bei einer Stadt mit nur der halben Einwohnerzahl Bremens ist das beachtlich. Vielleicht ist man bei uns doch etwas unterkühlter als in Westpfahlen. Wo ist Paul? Eben hatte ich noch mit ihm geplaudert. Er ist klüger als ich; bei anfänglicher Sonne und Temperaturen um die 22 Grad und 80% Luftfeuchtigkeit geht er das Rennen konservativer an. Die erste Hälfte vergeht schnell. Ich versuche einen 4:30er-Schnitt nicht zu überreißen und hoffe, ab km 30 noch einmal zulegen zu können. Die 10km passiere ich dennoch etwas zu früh in 44:39. Bis etwa zur fünfzehnten Kilometermarke führt die Strecke durch die herausgeputzte Innenstadt; ein abwechslungsreicher Kurs, selbst wenn man die vielen Attraktionen nur am Rande wahrnimmt. Mittlerweile rennt der Läufertross durch die Vororte. Die Halbmarathonmarke passiere ich unter großem Getöse in Nienberge. Hier ziehen die ersten Marathonstaffeln vorbei, die eine Viertelstunde später gestartet sind. Durchgangszeit 1:34:55.

Kann ich das Tempo halten? Ich merke, wie die Motivation langsam nachlässt. Der Kilometerschnitt sinkt öfter mal knapp unter die 4:30, die Beine sind noch nicht schwer aber auch nicht mehr so spritzig wie zu Anfang und teilweise kommt nun auch Gegenwind dazu. Da taucht Paul wieder auf. Beharrlich hat er sich von hinten aus dem Feld vorangearbeitet und dabei konsequent die leicht abfallenden Zwischenzeiten beachtet, die er sich auf einem Armband notiert hatte. "Häng dich dran, wenn du willst", lasse ich mir nicht zweimal sagen. Schon laufe ich wieder knapp unter 4:30. Die nächsten 10 Kilometer sind anstrengend aber nicht zu hart; eigentlich genau so, wie es sein muss. Endlich zieht sich auch der Himmel etwas zu und es kommt sogar hin und wieder ein leichter, kühlender Regen auf. Bei der Wasserstation auf km 27 gönnen wir uns zeitgleich eine kleine Zwischenmahlzeit – feinstes Zucker-Gel aus der Tüte.

Der gefürchtete Kilometer 30 begrüßt mich ausgerechnet mit einer steilen Brücke über die Autobahn, die es jetzt mit schon ermüdeten Beinen zu überwinden gilt. Die Durchgangszeit liegt mit 2:15:17 noch gut auf Kurs. Auf der nächsten Wasserstation etwa 15 Minuten später drücke ich mir den Rest Gel in den Mund. Währenddessen die erste Trabpause – beim harten Wiederanlaufen spüre ich, dass mein Stoffwechsel auf den gemächlichen Fettsäure-Hilfsdiesel umgeschaltet hat. Ab jetzt wird es mühsam. Paul läuft unterdessen schon seit einer Weile einige Meter vor mir; ich lasse nun ganz abreißen. Der Kilometerschnitt sinkt ab: 4:35, 4:40...

Erste Gedanken ans Aufgeben bei Kilometer 37. Ist denn Boston so wichtig? Will ich diese Qual überhaupt noch einmal über mich ergehen lassen? Hatte ich dem Marathon nicht schon vor einem halben Jahr zu Gunsten der flinkeren Läufe über 10 und 21 Kilometer abgeschworen? Die Beine beginnen zu schmerzen. Eine Blase am Fuß wird spürbar. Die Zuschauer nerven mit ihren ständigen Zurufen und den albernen Schildern. Müde!

Schon bald spornt mich die Nähe zum Ziel aber wieder an. Endlich zurück im Innenstadtbereich, endlich bekomme ich die Cola, die ich an der vorherigen Station verpasst hatte, gleich beginnt Kilometer 40 – endlich! Die Stimmung an der Strecke kocht. Ich beiße die Zähne zusammen und muss dabei bemitleidenswert aussehen. So jedenfalls lassen sich die nun doch gar nicht mehr nervigen Aufmunterungen vom Straßenrand deuten. Doch im Gegensatz zu mir kann sich der Kilometerschnitt wieder sehen lassen: 4:25, 4:20! Die letzte Kurve mündet in den Prinzipalmarkt. Den St.-Paulus-Dom und das historische Rathaus vor Augen, schlittere ich die letzten Meter über das nasse Kopfsteinpflaster ins Ziel. Ich greife mir im Vorbeziehen eine Medaille und halte mich gerade noch am Absperrgitter fest. Hinsetzen!. Die Stoppuhr zeigt 3:09:59,95. Ob auch die offizielle Zeit unter 3:10 liegt, ist zweitrangig, Hauptsache die Boston-Quali ist in trockenen Tüchern. Aber eigentlich ist auch das jetzt gerade völlig egal.

Zahlen:
Zeit: 3:10:13, Gesamtwertung: 94. Platz (3054 Starter, 2419 Finisher). 16. Platz in der mit 285 Startern und 205 Finishern dünn besetzten MHK. 5. Platz (4. AK) im "Nordenia Studenten-Cup" (147 Starter, 106 Finisher).

Und das Siegerfeld? Wenig überraschend gewann ein Kenianischer Läufer, durchaus überraschend jedoch nicht der favorisierte Vorjahressieger Richard Chepkwony, sondern Elijah Kipkemoi Yator in beachtlichen 2:13:10. Auch die Position der schnellsten Frau war eine Überraschung. Statt der Kenianerin Gladys Oterio, die in Hannover letztes Jahr Zweite wurde, gewann die Weißrussin Sviatlana Kouhan mit 2:35:35. In der erstmalig prämierten Kategorie der schnellsten deutschen Männer und Frauen siegten Martin Butzlaff vom SC Magdeburg in 2:33:59 und Eve Rauschenberg vom LC Haßloch in 2:51:24.
 
 
 
 

Eine kurze Ergänzung vom „Früh-zu-Bett-Geher-Jens “ zu dem hervorragenden Bericht von Henning. Die Organisation war wirklich klasse und die Begeisterung in der Innenstadt auch mitreißend! Dieser Lauf ist empfehlenswert und Münster eine hübsche Stadt mit Flair.

Leider hat mir jemand bei KM 22/23 den „Stecker rausgezogen“,…so das die anvisierten 4 Std. schon sehr früh nicht mehr erreichbar waren ;-(

Bis KM 29 hatte ich dann mit diversen Weh-Wehchen zu kämpfen, die beim Marathon wohl einfach dazugehören ( auch ein Klassiker: Seitenstiche… )

Ab KM 30 lief es wieder etwas runder, wenn auch mit reichlich Gehpausen und einigen sehnsüchtigen Blicken in Richtung Sanitäter-Autos…Mensch, ich könnte so schnell im Ziel sein und die Schinderei wäre zu Ende…

Am Ende wurden es 4:30 h, über die ich nicht weiter diskutieren möchte

Vielleicht interessieren Euch die Fotos von Henning und mir unter www.firstfotofactory.com

Startnummer Henning: 1870 / Jens: 1596

Übrigens habe ich mich heute für den Bremen-Marathon angemeldet und freue mich schon auf den nächsten Anlauf ( konnte ich mir am Sonntag noch überhaupt nicht vorstellen..schon etwas bekloppt ;-)

Ich setze dabei total auf die charmante und motivierende Verpflegungsstelle bei KM 5, die dann locker bis ins Ziel trägt…;-))

Jens ( jetzt im „Reha-Urlaub“) 
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Sporthaus Kornstraße 157
Neustadt - 28201 Bremen

Vereinsheim und Sportplatz
Weg zum Krähenberg 1 - 28201 Bremen